Als die Koffer für den Aufenthalt in Nicaragua gepackt wurden mussten alle meine Angeln leider zu hause bleiben. Grund war nicht das Übergewicht, sondern die Überlänge. Was irgendwie „echt schade Mann“ begonnen hat, hat sich dann doch noch zum Guten gewendet und ich darf euch jetzt die Story vom Pargo Rojo erzählen.
Ich wollte unbedingt angeln gehen, konnte aber keine Angel mitnehmen. Naja, egal, es wird sich sicher eine Lösung finden. Angekommen in Léon, der zweitgrößten Stadt Nicaraguas, wurde ich leicht überrascht. Eine Angel kaufen ist hier nicht möglich und der einzige Fluss ist ein totes, bis zur Unkenntlichkeit verschmutztes Rinnsal. Soweit die schlechten Nachrichten… Aber es gab auch gute Nachrichten.
In der Nähe gibt es eine Fischerstadt mit Namen Corinto. Unsere Gastgeber haben einen Angeltrip mit einem einheimischen Fischer und eine Übernachtung in einem einheimischen Haus organisiert. Ein Abenteuer der Sonderklasse!
Falls sich jemand für Reiseberichte interessiert kann man hier noch – ohne Angelbezug – Anns und Diemos Sicht unserer Reise in ihre Wahlheimat nachlesen.
Die verrückte Reise
Die Anreise erfolgt im Bus. Der Bus ist ein klassisches Gefährt, wie man es aus zahlreichen Bud Spencer Filmen kennt. Fensterplätze sind begehrt und ständig steigen Verkäufer ein und aus. Wasser im Plastikbeutel (auf beißen und aussaugen), Bananen, frittierte Spezialitäten und vieles mehr werden lautstark angepriesen. Somit verhungert und verdurstet man nicht auf dem Weg zum Abenteuer und kann sich frisch gestärkt den Herausforderungen stellen.
Das Anstrengendste an der ganzen Fahrt war nicht die Hitze oder der Zustand des Busses, sondern die Musikvideos die im Bus gezeigt wurden. Wenn man die schlimmsten Musik- und Modesünden der 80er, der 90er, vier Leuchtstifte, drei Löffel Gangster-Swag, eine große Portion Schminke, schlechte Schnitttechnik und eine ganze Menge halluzinogener Drogen in einen Mixer gibt kommen dabei bestimmt solche Videos heraus.
Wir hatten Glück, der Bus hatte keine Panne, der Busfahrer kam nicht auf die Idee während der Fahrt eine Siesta einzulegen, kein frei laufendes Pferd wurde überfahren und wir hatten keinen videobedingten epileptischen Anfall. Nach unserer Ankunft sind wir im Fahrradtaxi zu unserer Unterkunft gefahren. Ein originales Nica-Haus mitsamt seinen Bewohnern, die so freundlich waren, uns für zwei Tage zu beherbergen.
Unsere Unterkunft in Corinto
Das Haus in dem wir gewohnt hatten war ein gutes Haus, aber für Europäer sehr ungewöhnlich. Die Dusche war ein Schlauch der aus einer Betonwand ragte. Das Waschbecken und das WC waren im Freien. Aber das Haus hatte Wände und Türen und die Bewohner waren – auch für europäische Verhältnisse – sehr sauber. Die Leute hier haben Fernsehen und Internet und wissen wie Häuser in Europa oder den USA aussehen und sind dennoch sehr glücklich und zufrieden mit dem was sie haben.
Das Essen am ersten Abend war sehr lecker. Die ganze Familie war damit beschäftigt die Zutaten aus allen Himmelsrichtungen zu besorgen. Vorratshaltung gibt es hier nicht. Es wird immer das gekauft was man für das nächste Essen braucht und auf keinen Fall mehr. Am nächsten Tag kann man ja für das nächste Essen wieder einkaufen gehen.
Für uns wurde extra ein ganzes Zimmer leer geräumt, damit wir genug Platz zum schlafen hatten. Am nächsten Morgen ging es per Dreirad-Fahrrad-Taxi zum Fischerhafen. Da wir mitteleuropäische Pünktlichkeit an den Tag legten mussten wir erst ein bisschen warten, bis der Fischer nicapünktlich am Hafen eintrudelte. Das Warten auf den Fischer war aber nicht schlimm, da die Stimmung und das Flair einfach überwältigend waren. Außerdem kam einer unserer Nicaraguaner noch auf die Idee, dass er ja Flip-Flops braucht, die er so noch gemütlich kaufen gehen konnte.
Die lange Wartezeit am Hafen war aber nicht so schlimm. Es war eine unglaubliche Stimmung und man konnte Fischerboote sehen die bereits zurück kamen um ihren Fang bei der Familie abzuliefern.
Auf dem Weg zum Pargo Rojo
Alls der Fischer und sein Sohn eintrafen ging es los. Das Boot leer schöpfen und dann ab auf See. Vorbei an einem schwimmenden Dieselkraftwerk ging es auf das offene Wasser hinaus.
Der Fischer fährt nach GPS, so etwas wie Echolot gibt es auf dem Boot nicht. Als erste Tat auf offener See wird ein Schleppnetz abgelassen um ausreichend Shrimps als Köder zu fangen. Das händische Einholen des Netzes war auf jeden Fall ein Kraftakt.
Wir drehten zwei Runden mit dem Netz bis der Fischer mit der Ausbeute zufrieden war. Als Beifang gab es viele verschiedene Fische vom Zitterrochen bis zum Kugelfisch.
Ich wurde damit beauftragt die Angelleinen bereit zu machen. Es gab keine Ruten, die einer Wäscheleine gleichende Schnur wurde einfach auf einem normalen Brett aufgewickelt. Am Ende der Schnur befand sich etwas was ich als Drop-Shot Montage mit Seitenarmen bezeichnen würde. Um den Neukauf von teurer Schnur zu vermeiden werden die Haken weder direkt in die Schnur gebunden noch der Seitenarm abgeschnitten und der Haken angebunden. Der Seitenarm bleibt einfach als Schlaufe stehen und der Haken wird mittels Palomar Knoten befestigt. So kann man, wenn der Haken zu rostig wird, ohne Schnurverlust einen Hakenwechsel machen.
In diesem Teil der Welt spielt der Kauf einer neuen Spule Schnur noch wirklich eine Rolle. Außerdem werden wir gewarnt, wenn etwas beißt, unseren Fall so schnell wie möglich einzuholen. Der Grund dafür war die durchaus realistische Möglichkeit einen Hai auf den Fang an die Schnur zu bekommen. Das kostet im besten Fall die Schnur und im schlechtesten Fall einen Finger.
Das Nica-Drop-Shot wurde mit Shrimps und einem > 100 Gramm Birnenblei versenkt und durch die Wellen, die Dünung und unsere Hände ein bisschen hin und her bewegt. Die ersten zwei Spots brachten leider keinen Erfolg. Also ging es weiter, näher zum Ufer hin.
Unser Führer ließ an ein paar Stellen sein Blei hinunter, worauf wir weiter fuhren. Was er da genau spürte weiß ich nicht, da die „Wäscheleine“ und das schaukeln des Bootes mir jedes Gefühl für die Schnur nahmen. Nach ein paar Versuchen war eine passende Stelle gefunden.
Hier starteten wir unseren letzten Versuch. Kaum waren die Montagen im Wasser hatte schon der Erste einen Fisch an der Leine. Pargo Rojo (Red Snapper), der Jackpot! Einer der begehrtesten Speisefische überhaupt. Kurz darauf hatte auch ich einen Biss. Beim Einholen mit der Handleine hatte ich immer wieder das Gefühl den Fisch verloren zu haben, was aber nicht so war. Mit einer Angel hat man einfach mehr Fingerspitzengefühl als mit einer Handleine.
Wenigstens war ich jetzt auch entschneidert. Jeder der Handleinen Angler fing noch ein paar Pargo Rojo und das Abendessen war gesichert.
Nach einem harten Tag auf dem Pazifik, ohne Sonnenschutz ging es zum Ausklang noch an einen Strand. Der Strand war nur per Boot zu erreichen und bis auf einen ausgesetzten Hund waren wir ganz alleine auf der Insel.
Unser Führer hat dann, als wir uns auf den Heimweg machen wollten noch schnell sein Handy versenkt. Leider war es trotz mehrerer Tauchgänge nicht auffindbar. Diemo hatte jedoch die glorreich Idee ihn anzurufen und dank „Waterproof-Technic“ war das Klingeln unter Wasser deutlich zu hören.
„Zuhause“ angekommen habe ich die Pargo Rojo dann noch von mir ausgenommen. Die weitere Zubereitung übernahmen aber die einheimischen Gastgeberinnen im Nica-Style.
Es war auf jeden Fall ein Hochgenuss und Meeresfisch, so frisch wie es ihn in der Heimat niemals geben wird!
Gegessen wurde logischerweise traditionell mit den Fingern und ohne Tisch. Vielen Dank an unsere Gastgeber, den Fischer & Sohn und unsere Freund die alles organisiert haben!
Außerdem lernte ich in dem Urlaub auch noch mit einer Rolle Fluorocarbon, einer Rush Craw am Mini Jig und einem Schilfstab als Achse, zu werfen und zu jiggen. Viel war nicht zu holen im Uferbereich der Laguna de Apoyo und die meisten Fische waren sehr klein oder schienen auf Pflanzen zu stehen. Aber ein Freund ließ sich doch zu einem kurzen Shooting überreden!
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